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Sonntag, 23. August 2015

Lehrtage



Dienstag


Ab heute klingelt der Wecker noch eine Stunde eher. Fünf Uhr Dreißig. Für immer quasi. Deshalb habe ich das mal fett markiert. Ich kann zudem vorweg nehmen, dass ich am Wochenende auch nicht länger geschlafen habe. So schnell gewöhnt man sich also um. Nunja. Das heißt. Aufstehen muss ich ja gezwungenermaßen. Das Einschlafen lässt sich mit der Umstellung aber noch etwas Zeit. Den Wecker habe ich trotzdem schon mal fest eingestellt: Fünf Uhr Dreißig - Montag bis Sonntag - fünf Minuten Intervall - fünf Wiederholungen - auf Lebenszeit.

Eine weitere Umstellung, die ich aktuell bewerkstelligen muss, betrifft das Anbringen konstruktiver Vorschläge. Die knappe Konversation mit dem Werkstattmeister über das saubere Nacharbeiten letzten Endes unsichtbarer Bohrlöcher endet mit den Worten: <<Ich will mal darüber hinweg sehen, weil heute erst dein zweiter Tag ist.>>


Mittwoch


Langsam pendelt sich ein morgendlicher Algorithmus ein. Erst schlaftrunken durchs Bad wandeln, dann frisch und munter Stullen schmieren und schließlich merken, dass man vergessen hat sich anzuziehen. Von der Radfahrt zur Arbeit weiß ich hinterher auch recht wenig. Vermutlich weil ich alle hundert Meter darüber nachdenke, wie ich eigentlich die vorhergehenden hundert Meter zurückgelegt habe.


Auf Arbeit dann aber höchste Konzentration. Es gibt eine Menge zu lernen. Wenn mich Marcel* eine Maschine holen schickt bin ich heilfroh, dass die Kisten beschriftet sind. Handkreissäge, Tauchsäge, Schattenfugensäge. Handoberfräse, Stabfräse, CNC-Fräse. Letztere zu holen war wohl als Witz gemeint. Wieder was gelernt!


Donnerstag


Marcel vertraut mir allmählich schwerere Aufgaben an. Heute soll ich die Verblendung auf den Messestand montieren. Also die Oberfläche, die am Ende tatsächlich sichtbar ist. Hammer! Nicht, dass einer der 170.000 Messebesucher auch nur im Augenwinkel meinen Tisch unter den Smartphones und Tablets bemerken würde. Aber das Material ist mit Edelstahl furniert. Da weiß jetzt auch der Laie unter den Lesern: <<Edel? Das Zeug muss teuer sein.>> Ist es. Und empfindlich. Wenn ich die Schrauben auch nur einen Hauch zu tief versenke, brechen sie durchs Material. Dann kann man das eigentlich nur noch wegwerfen. Seeehr gefühlvoll treibe ich also die erste Schraube durch die Faserplatte. Marcel kontrolliert: <<Durchgebrochen.>> Schock. <<War nur ein Spaß!>> Ahja. Witzig. Nicht. Auch nicht beim zweiten Mal.

Später am Tag breche ich wirklich durch. Zwei mal. Ich erkläre den Fauxpas mit Karma. Marcel witzelt jetzt nicht mehr so viel.

Freitag


Man fragt sich vermutlich (zurecht), ob ich da eigentlich nur Schaden anrichte. Die kurze Antwort lautet: JA. Die längere erklärt dann, dass man leider jeden Fehler ein Mal selber begehen muss, um zu verstehen wie man ihn vermeidet. Und natürlich auch um zu lernen, wie man ihn wieder wegpfuscht.

In der Zwischenpause teste ich nochmal behutsam an, wie weit ich beim Werkstattmeister gehen kann. Er ist großer Fan vom Köpenicker Fußballverein Union Berlin. Eigentlich könnte er da der Stadionsprecher sein. Nicht nur weil er jeden Tag mit dem Spruch <<Und niemals vergessen...>> beginnt. Sondern vor allem wegen seiner Stimme. Das hier ist er übrigens. Jedenfalls erzählt er in der Pause vom letzten Spiel. Vom Stadionfeeling. Von Fangesängen. Und wie sie dem Gegner zurufen: <<Kniet nieder ihr Bauern, wir sind eure Hauptstadt.>> Ich frage ihn vorsichtig, ob Köpenick nicht auch schon recht ländlich sei und beschließe, die Pause spontan ein wenig früher zu beenden.


Samstag


Extraschicht. Messebau. Klar bin ich mit dabei! Nach dem Frühstück hol ich mal eben die Bombe, damit die HPL an die MDF kommt. Dann verzwinge ich die Abdeckung mit der UK, geh ein letztes Mal mit dem Wischer drüber, brech mit dem 80er noch fix die Kanten und bring das Zeug zum Lacker. 

Statt Mittagessen gibt es Bier. Der Asiamann nebenan weiß Bescheid. Er kühlt es Kistenweise. Vermutlich seine Haupteinnahmequelle. Der Chef drückt mir einen Blauen in die Hand und schickt mich zu ihm. Ich soll sagen, dass ich zu den Tischlern gehöre, dann bekomme ich die Flasche zwanzig Cent günstiger. Eine beschwipste Ewigkeit mit Harpe Kerkeling später geht's dann endlich wieder ans Fegen. Es sind meine letzten beiden Stunden als Tischler - für diese Woche. Eeeeein schöner Brauch!

*Name geändert

1 Kommentar:

  1. Nach meinem Feierabendbier am ersten Büroarbeitstag nach 3 Wochen Pause eine schöne Gute Nacht-Lektüre :-*
    Auf meinem nächsten Messebesuch werde ich mal auf die ordnungsgemäße Verschalung achten -_-

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